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Bioökonomische Zukünfte verstehen und mitgestalten.
‚Warum, was und wie‘, das erfahrt ihr hier!
Vergangene Events
Die vergangenen Veranstaltungen und weitere Informationen findet ihr auf den Projektseiten.
Alle Veranstaltungsmaterialien findet ihr auf der Webseite des Museums für Naturkunde Berlin.
Enormes wurde erreicht in der Armutsbekämpfung und sehr vielen Menschen geht es heute besser denn je zuvor. Dennoch verbleiben Herausforderungen: das Klima verändert sich, die Artenvielfalt geht zurück, Ressourcen werden knapp. Der übermäßige Ressourcenverbrauch wird durch den Welterschöpfungstag (Earth Overshoot Day) verdeutlicht. Dieser bezeichnet den Tag, an dem alle natürliche Ressourcen aufgebraucht sind, die die Erde innerhalb eines Jahres regenerieren und nachhaltig zur Verfügung stellen kann. Gleichzeitig nimmt der Ressourcenbedarf sogar weiter zu. Nach Berechnungen der Vereinten Nationen wird die Weltbevölkerung bis zum Jahr 2050 auf 9,6 Milliarden Menschen angewachsen sein. Zunehmende Pro-Kopf-Einkommen in den Entwicklungs- und Schwellenländern lassen den Konsum weiter steigen und infolge auch den Ressourcenverbrauch.

Globale Herausforderungen
Der Wandel hin zur Bioökonomie ist eine der wichtigsten Aufgaben im 21. Jahrhundert.
Gefährdung des gesellschaftlichen Wohlstands
Der in den vergangenen 200 Jahren im Zuge der Industrialisierung erarbeitete Wohlstand stößt zunehmend auf planetare Grenzen. Die Erdölvorkommen sind begrenzt. Noch gravierender ist, dass die Emissionen aus der Nutzung von fossilen Energieträgern die Erdatmosphäre erwärmen und zu einem globalen Klimawandel führen, der schwerwiegende Folgen für Mensch und Natur mit sich bringt. Die Vielfalt der Tier- und Pflanzenwelt nimmt ab. Die aktuelle Rate des globalen Artensterbens ist dutzendfach bis hundertfach höher als im Durchschnitt der letzten 10 Millionen Jahre. Um Wohlstand im Rahmen planetarer Grenzen sichern zu können, bedarf es deshalb einer grundlegenden gesellschaftlichen Veränderung.
Internationaler Earth Overshoot Day
nach Dekaden (1970-2020)
Planetare Grenzen
Die Überschreitung planetarer Grenzen gefährdet zukünftigen Wohlstand.
Die Bioökonomie kann und muss dazu beitragen, diese Veränderung zu vollziehen. Als eine Alternative zu der gegenwärtig vorherrschenden Wirtschaftsform, die auf der intensiven Nutzung fossiler Ressourcen basiert, setzt die Bioökonomie stattdessen auf die Nutzung nachwachsender Rohstoffe wie Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen. Aufgrund dieses veränderten Ressourcenfokus gilt die Bioökonomie als ein möglicher Weg zur Entwicklung nachhaltiger Gesellschaften. Der Idee der Bioökonomie folgend soll das gegenwärtige Wirtschaftssystem umstrukturiert und auf ein nachhaltiges Fundament gestellt werden.
Bioökonomie als nachhaltiges Fundament zukünftiger Gesellschaften
1,5-Grad-Ziel
Im Pariser Klimaabkommen haben sich 195 Staaten völkerrechtlich dazu verpflichtet, die Temperaturerhöhung durch Treibhausgase auf deutlich unter 2 Grad Celsius zu begrenzen und Anstrengungen zu unternehmen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken.
Bioökonomie – kurz erklärt.
Bioökonomie bezeichnet eine Form biobasierten Wirtschaftens, die auf der Erzeugung, Erschließung und Nutzung biologischer Ressourcen (Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen) basiert und sich an in der Natur vorkommenden Stoffkreisläufen orientiert. Gegenüber einer auf fossilen Ressourcen (Erdöl, Kohle, Erdgas) basierenden Wirtschaft stellt die Bioökonomie durch die Nutzung von regenerativen Ressourcen und Energiequellen eine Entwicklungschance für eine nachhaltige Wirtschafts- und Lebensweise dar.

Jedoch wird die Entwicklung der Bioökonomie mit widersprüchlichen Interessen kontrovers diskutiert. Der Fokus wird vor allem auf die Entwicklung von Biotechnologien gelegt, mit denen neue Märkte und Arbeitsplätze erschlossen werden sollen. Die Bioökonomie bringt aber auch Zielkonflikte mit sich, die sich aus dem erhöhten Bedarf an Biomasse und einer damit verbundenen Nutzungs- und Flächenkonkurrenz ergeben. So muss entschieden werden, inwiefern Biomasse zur Produktion von Nahrungsmitteln, von Konsumgütern oder zur Erzeugung von Energie verwendet werden soll. Zudem kann der steigende Bedarf an Biomasse und deren vermehrter Produktion negative Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft verstärken - beispielsweise in Form von Bodenerosion, Biodiversitätsverlust und Land Grabbing.
Interessen- und Zielkonflikte
Eine bloße Umstellung der Wirtschaft von fossil auf biogen würde zu kurz greifen. Der Übergang in eine stärker biobasierte Wirtschaft wirft zwangsläufig neue Fragen sozialer und globaler Gerechtigkeit auf. Denn wie kann der Nahrungsbedarf einer wachsenden Weltbevölkerung gesichert werden, bei gleichzeitiger Senkung der Umweltbelastungen? Wie können Nutzungskonkurrenzen um Flächen, Boden und Biomasse gerecht gelöst werden?
Eine neue Kultur der Bioökonomie
Land Grabbing bezeichnet die Aneignung von Land, insbesondere von Agrarflächen durch Investoren und Agrarunternehmen mittels großflächiger Käufe oder langjährige Pacht, um diese zur Herstellung von Agrarrohstoffen zu nutzen.
Definition in Anlehnung an:
Deutscher Bundestag und bpb/BICC
Die Bioökonomie berührt alle Bereiche unseres Lebens und begegnet uns überall. Bioökonomie hat in den vergangenen Jahren weltweit an Dynamik und Bedeutung gewonnen. Zahlreiche neue biobasierete Produkte wurden bereits auf den Markt gebracht oder sind in Entwicklung. Das Spektrum reicht von Burger auf Pflanzenbasis, Insektenriegel und Kleider aus Algen, Schuhe aus Fischhäuten bis hin zu Verpackungen aus Biokunststoffen, Autoinneneinrichtungen aus Flüssigholz, Terassendielen aus Wiesengras und Trinkhalmen aus Fruchtresten.
Neue biobasierte Produkte gewinnen an Bedeutung
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Beyond-Burger
Vegetarische und vegane Fleischalternativen gibt es inzwischen viele. Nicht alle schmecken tatsächlich fleischähnlich oder gar genauso wie Fleisch. Bei den „Beyond-Fleisch-Burgern“, der dritten Generation von „Fleischersatz“, soll das anders sein: Geschmack, Form, Farbe, Textur und Konsistenz sollen Fleisch-Bratlinge zum Verwechseln ähnlich sein. Kommerzielle Markenprodukte von „Beyond-Fleisch-Burgern“ gibt es in Deutschland erst seit kurzer Zeit. Die Nachfrage ist aber bereits enorm. Ihre fleischähnliche Konsistenz und Brateigenschaften verdanken sie einem Eiweisisolat aus Erbsen, Soja oder Weizen. Rote Beete Saft wird u.a. eingesetzt um den Fleischsaft zu imitieren und das Patty saftig hält. Weitere Zutaten sind Pflanzliche Öle, verschiedene Aromen, Stabilisatoren und Antioxidantien – ohne Zusatzstoffe kommen die veganen Bratlinge also nicht aus.
Lupineneis
Zu den markantesten Eiweißpflanzen hierzulande zählt die Lupine, ihr Samen hat einen Eiweißgehalt von 35%. Mit der Blauen Süßlupine Lupinus angustifolius fanden Forscher eine Sorte, die kaum Bitterstoffe (Alkaloiden) enthält, unter hiesigem Klima auch auf mageren Böden gut wächst, gegen viele Krankheiten resistent ist und somit für die Lebensmittelindustrie interessant geworden ist. Als Stickstoff-Sammler ist die Lupine ein „Boden-Verbesserer“ und muss nicht gedüngt werden. Inzwischen werden verschiedene Lupinen-basierte Lebensmittel entwickelt. Das erste kommerzielle Produkt ist ein Speiseeis, das in Supermärkten erhältlich ist. Es ist sowohl für Vegetarier*innen und Veganer*innen als auch für Allergiker*innen interessant.
Haferdrinks
Aus Lupinen, Soja, Hafer, Mandeln, Reis und anderen Saaten werden inzwischen vielfach Getränke hergestellt, die als Alternative zu Milch verwendet werden können. Die Anwendungsmöglichkeiten gehen dabei über Milchgetränke (z.B. im Kaffee oder Müsli) hinaus und bieten im zunehmenden Maße Alternativen zu klassischen Molkereiprodukte wie Joghurt (z.B. aus Hafer, Soja, Kokos), Käse ( z.B. aus Lupinen, Mandeln, Cashews), Crème Fraîche (z.B. aus Hafer) usw. Die erhöhte Nachfrage nach rein pflanzlichen Produkten führt mehr und mehr zu einem attraktiven Angebot, das für alle Konsument*innen zugänglich ist.
Insektenriegel
Mehr als 2.100 unterschiedliche Arten von Insekten und Spinnen werden derzeit weltweit konsumiert. Insekten weisen einen weit geringeren ökologischen Fußabdruck auf als Rinder, Schweine oder Hühner. So produzieren Grillen pro Kilo Protein nur 1% der CO₂-Emissionen verglichen mit Rindfleisch. Ein Ernährungswandel weg vom klassischen Fleisch hin zu Insekten wäre so aus ökologischer Sicht sehr wünschenswert. Doch sowohl geschmacklich als auch vom „Ekelgefühl“ gibt es gerade in den europäischen Kulturen erhebliche Abneigungen gegen den Verzehr von Insekten. Abgesehen von Kuriositäten, wie Burger, Energieriegel, Insekten (lebend oder getrocknet) „am Stück“ bis hin zu vielfältig verwendbarem Insektenmehl, werden Insekten derzeit primär als Futtermittel für die klassische Fleisch- und Fischzucht ins Gespräch gebracht (z.B. anstelle von importiertem Soja). Aber auch in vielen anderen Produkten der Bioökonomie könnten und werden in Zukunft Insekten enthalten sein – etwa Insektenöl in Kosmetika oder in Kraftstoffen oder Chitin in Plastikersatzstoffen.
Kleider aus Holz
Sicher haben sich unsere frühen Vorfahren mit Rinde vor Wind und Wetter geschützt. So kann sich Kleidung aus Holz aber natürlich nicht vorgestellt werden. Moderne Holzkleidung wird fein-säuberlich aus Holzfaser-Garn gewoben. Holzbasierte Fasern verbrauchen bis zu 20-mal weniger Wasser als herkömmliche Baumwollfasern. Zudem kann bei Bäumen im Gegensatz zu Baumwollpflanzen auf Pestizide und Dünger verzichtet werden. Da Bäume auch in unseren Breiten wachsen, könnten Transportwege minimiert werden. Abgesehen von den positiven Umweltaspekten, verfügt Holzkleidung angeblich über Eigenschaften, die bei Kleidung eine elementare Rolle spielen: Der Stoff ist atmungsaktiv und temperaturausgleichend. Feuchtigkeit wird vom Stoff überaus schnell aufgenommen und direkt wieder an die Luft abgegeben. So kühlen Holz-Shirts bei Wärme und wärmen bei Kälte. Sicher kann man Holzkleidung auch mit einem schicken Rindenmuster bedrucken.
Leder und Kleider aus Pilzfasern
Es gibt schier unzählige verschiedene Pilzarten mit großartigen Eigenschaften, deren Nutzung und wirtschaftliche Potentiale allerdings bisher noch kaum entwickelt wurde. Pilzfasern können z.B. zu Kleidung verarbeitet werden. Hierzu wird u.a. der weit verbreitete Zunderschwamm verwendet, den auch schon Özi kannte. Der flauschig-weiche Grundstoff heißt Trama und war früher ein bekanntes Textilmaterial. Heute ist das Handwerk, aus Trama Kleidung herzustellen, fast ausgestorben. Möglicherweise erleben Pilze als Textilrohstoffe durch den aufstrebenden Veganismus aber einen erneuten Aufschwung. Aus dem Myzel von Waldpilzen, also aus ihrem Wurzelgeflecht lassen sich nämlich auch vegane Leder-Ersatzprodukte herstellen. Diese werden mit Abfällen aus der Landwirtschaft gefüttert, wobei daraus bereits Möbel, Schuhe und alle möglichen anderen Lederprodukte gefertigt werden.
Schuhe aus Fischhäuten
Fischhäute sind ein Abfallprodukt der Aquakultur und der Fischerei und werden meist entsorgt. Tatsächlich lassen sie sich allerdings gerben und zu attraktivem Leder verarbeiten. Ein Schuh mit einem Stör-Muster oder eine Jacke aus schillerndem Lachsleder sind durchaus schick und werden bei feuchtem Wetter auch nicht schleimig. Etliche, vor allem kleine Betriebe, haben sich auf Fischleder spezialisiert und bedienen einen hochpreisigen Markt mit ungewöhnlichen Schuhen und anderen Lederprodukten.
Kleider aus Algen
Viele unserer Gewässer sind überdüngt und diverse Algen fühlen sich darin sehr wohl. Diese Algen können mit gutem Gewissen geerntet werden, um aus ihren Fasern Kleidung herzustellen. Algenkleidung wird inzwischen von zahlreichen Herstellern angeboten. Derzeit liefern Algen zwar nur einen Teil der Fasern, nichtsdestotrotz bestehen oft schon fast 50% des Produktes aus Algenfasern. Meist werden die Fasern aus Tangen, also Meeresalgen, hergestellt. Sie riechen nicht fischig und fallen auch nicht auseinander, wenn es regnet. Die in den Algen enthaltenen Wirkstoffe sollen zudem die Zellregeneration fördern und Juckreiz und Hautkrankheiten (wie Neurodermitis) lindern. Sollten sich die beworbenen Eigenschaften des „gesündesten Shirts der Welt“ bewahrheiten, so stehen Algenfasern sicher eine große Zukunft bevor.
Florfliegenseide aus Bakterien
Florfliegen sind kleine grüne Fliegen mit goldenen Augen, die Blattläuse fressen. Ihre Eier befestigen sie auf bis zu 10 mm langen, extrem biegsamen Stielen – aus einem ausgehärteten Proteinsekret – auf Blattoberflächen. Diese Ei-Stiele, oder besser gesagt, diese Florfliegenseide, ist äußerst biegsam und stabil. Die mechanischen Eigenschaften der Ei-Stiele wurden biotechnologisch als Faser nachgebildet. Mit Hilfe von Bakterien lässt sich die Florfliegenseide biotechnologisch nun auch im großen Maßstab herstellen und findet ihre Anwendung in der Medizintechnik sowie als Verstärkungsfaser für den Leichtbau, also beispielsweise bei der Herstellung von Autos, Flugzeugen oder Schiffen.
Alternative Verpackungen
Dass überhaupt noch Verpackungsmaterial aus Kunststoff hergestellt wird, muss überraschen. Denn es gibt bereits heute zahllose Alternativen. Faserguss-Verpackungen zum Beispiel: faserhaltiges Material wird entsprechend der Form des zu verpackenden Artikels in eine passgenaue Verpackung „gegossen“, die das Produkt optimal schützt und gleichzeitig Material einspart. Faserguss-Verpackungen kann man direkt aus nicht anderweitig genutzten Agrarabfällen pressen. Optional können auf diesen Abfällen Pilze gezüchtet werden, die die Form der Verpackung verbessern und stabilisieren. Am Ende des Tages können diese bioökonomischen Verpackungsmaterialien einfach kompostiert werden.
Papier aus Gras
Das erste Papier wurde aus Papyrus hergestellt – einem Gras, das in Sümpfen wächst. Seither ist die Nachfrage nach Papier enorm angestiegen. Heutzutage wird es vor allem aus Holz produziert. Aber Papier kann (wieder) aus Gras hergestellt werden – und zwar aus dem Gras, dass mehrmals im Jahr von Wiesen gemäht werden kann. Das Graspapier eignet sich vor allem für Verpackungsmaterialien und Kartonagen. Es kann aber auch für den Digital- und Offset-Druck, für Broschüren, Etiketten, Booklets und Visitenkarten verwendet werden.
Autoreifen aus Löwenzahn
Autoreifen wurden früher ausschließlich aus Kautschuk hergestellt – dem Saft des Hevea-Baumes, der auch heute in den Tropen noch großflächig angebaut wird. Darüber hinaus eignen sich weitere Pflanzen, die klebrige Säfte produzieren, wie beispielsweise der Löwenzahn. Die Firma Continental hat einen ersten Versuchsreifen vorgestellt, der zum Teil aus Kautschuk und aus Löwenzahn besteht. Hierfür wurde extra eine besonders ertragreiche und robuste Variante des russischen Löwenzahns gezüchtet. Langfristiges Ziel ist es, eine ökologisch, wirtschaftlich und sozial sinnvolle Lösung für die steigende Nachfrage nach Naturkautschuk zu finden, die die Anbaugebiete für den traditionellen Kautschukbaum in den Tropen entlastet. Dabei kann der Kautschuk-Löwenzahn auf bisher ungenutzten Flächen in den gemäßigten Breiten Europas – und damit in geografischer Nähe zu den europäischen Reifenwerken – angebaut werden. Somit vermindern sich Logistikaufwand und Umweltbelastung deutlich.
Kunststoffe sind in unserer Lebenswelt allgegenwärtig und viele davon lassen sich aus bioökonomisch produzierten Rohstoffen herstellen. Dies können Kunstfasern sein, aber auch klassische Kunststoff-Artikel wie Besteck, Teller, Papier und vieles mehr. Hier gibt es noch viel Entwicklungspotential. Materialeinsparung, Monomaterial und Recyclingfähigkeit sind die Schlagwörter der Zukunft. Als Monomaterial-Verpackungen werden Verpackungen bezeichnet, die nur aus einer Materialart bestehen, um dadurch die Müllsortierung und somit auch die Recyclingfähigkeit zu verbessern.
Leder und Kleider aus Pilzfasern oder Fischhäuten, Kleidung aus Holzresten oder Algen sind heute schon Realität. Zur Herstellung von Kleidung geeignete Fasern lassen sich aus einer unglaublichen Vielzahl von bioökonomischen Rohstoffen entwickeln, die von Schafen bis hin zu Bakterien reichen. Heute hat sich vor allem im Fashion-Bereich ein Markt für diese Alternativprodukte entwickelt, von denen einige durchaus marktreif sind. Viele davon gelten mittlerweile modisch und schick.
Im Ernährungsbereich gibt es große Herausforderungen, aber auch viele innovative Ideen und Produkte. Produkte, die uns beispielsweise neuerdings beim Einkaufen immer wieder begegnen, sind der Beyond-Burger, Lupineneis, Hafermilch oder Insektenriegel. Generell gilt: Regionale Lebensmittel brauchen weniger Transport und damit weniger Benzin. Vegane Ernährung produziert weniger Treibhausgase, verbraucht weniger Fläche und schont das Grundwasser. Und nicht zuletzt sind auch bei den Lebensmittelverpackungen Plastikalternativen, Ressourceneffizienz und Kreislauffähigkeit gefragt. Je weniger tierische Produkte, je kleiner die Tiere, je regionaler und je weniger verpackt, desto ökologischer ein biobasiertes Wirtschaften.
Arbeiten zu möglichen bioökonomischen Zukünften im Bereich Design und Textilien findet ihr in unserer digitalen Galerie.
Welche Arten von Rohstoffen wirtschaftlich genutzt werden hat sich im Laufe der Menschheitsgeschichte geändert. Bis in das Mittelalter war nachwachsende Biomasse die wichtigste Rohstoffquelle und schon zu dieser Zeit waren vor allem die Europäischen Wälder massiv übernutzt und weitgehend zerstört. Diese Zerstörung erreichte ihren Höhepunkt im 18. Jahrhundert mit der Holzknappheit infolge der großflächigen Abholzung von Wäldern für Schiffsbau, Städtebau und Manufakturen.
Biomasse als Rohstoffquelle
Das kurze Zeitalter der fossilen Rohstoffe
Die Industrielle Revolution
Die Holzknappheit gab einen wichtigen Impuls für die Erschließung von Kohle und Erdöl als neue Energiequellen und war somit auch ein Auslöser für die Industrielle Revolution. Heute steht die Menschheit vor einer neuen Epochenwende. Die Nutzung von Kohle, Erdöl und Erdgas verändert massiv das Klima und gefährdet damit unseren bisher erreichten Wohlstand. Wirtschaft und Konsum müssen deshalb auf regenerative, biobasierte Rohstoffe umgestellt werden – und zwar nachhaltig.

Die Herausforderungen werden aber größer sein als in den vergangenen Jahrhunderten. Denn die Weltwirtschaft hat ihre Produktion, ihren Material- und Energieverbrauch inzwischen mehr als verzehnfacht und rund 8 Milliarden Menschen wollen in Wohlstand leben. Ein Großteil der Nettoprimärproduktion der Landflächen, also dem (jährlichen) Zuwachs an pflanzlicher Biomasse, wird bereits durch den Mensch angeeignet. Allein durch eine Rückbesinnung auf Konzepte vor dem 18. Jahrhundert wird unser Status quo nicht zu erhalten sein. Die Bioökonomie der Zukunft muss also erst noch entwickelt werden.
Neue Herausforderungen
Aneignung der Nettoprimärproduktion nach Regionen (in Prozent)
Die Bioökonomie kann einen entscheidenden Beitrag zur Lösung von globalen Herausforderungen leisten. Aber eine vermehrte Nutzung von Biomasse allein führt noch nicht zu mehr Nachhaltigkeit! Es kommt vor allem auf die Art der Biomassegewinnung, der Produktion und der Nutzung an. Zwei Beispiele illustrieren dies: Biokraftstoffe und Biokunststoffe.
Biokraftstoffe
Biokraftstoffe sind Kraftstoffe, die aus Biomasse erzeugt werden. Ausgangsstoffe sind nachwachsende Rohstoffe wie Ölpflanzen, Getreide, Zuckerrüben oder -rohr, Wald- und Restholz oder Holz aus Schnellwuchsplantagen. Nur weil sie aus Biomasse hergestellt werden, sind Biokraftstoffe deshalb nicht notwendigerweise umweltfreundlicher als fossile Treibstoffe. Zwar verursachen einige Biokraftstoffe mehr als ein Drittel weniger Treibhausgase als Benzin oder Diesel. Sofern Wald und Buschland gerodet werden, um darauf Energiepflanzen anzubauen, verschlechtert sich die Treibhausgasbilanz aber ganz erheblich. Bei Anbau und Verarbeitung der Rohstoffe (wie Mais oder Soja) fallen zudem andere Umweltbelastungen an, welche die ökologische Gesamtbilanz deutlich verschlechtern. Biotreibstoff ist also nicht gleich Biotreibstoff! Zudem zeigt sich, dass die Menge der einheimischen Bioenergie begrenzt ist. Potentiale haben Reststoffe. Vor allem Ethanol aus Lignozellulose und synthetische Biokraftstoffe, auch BtL-Kraftstoffe (Biomass-to-Liquid genannt), könnten dazu erheblich beitragen.
Umweltbelastung und Treibhausgasemissionen von Biokraftstoffen
Auswirkungen von Biokraftstoffen unterscheiden sich nach Rohstoffen und Nutzungskontexten (bzw. regionalen Bezug).
Biokunststoffe
Biokunststoffe, die aus nachwachsenden Rohstoffen wie Pflanzenmaterialien, Mikroorganismen, Insekten oder Pilzen erzeugt werden, können eine Alternative zu herkömmlichen Kunststoffen sein, deren Rohstoffbasis fossiles Erdöl ist. Allerdings fällt die Ökobilanz nicht zwangsläufig besser aus, wenn Rohstoffe bio- statt fossilbasiert sind. Die Auswirkungen verschieben sich eher: Während fossilbasierte Kunststoffe mehr klimawirksames CO₂ freisetzen, äußert sich der ökologische Fußabdruck biobasierter Kunststoffe in einem höheren Versauerungs- und Eutrophierungspotential. Grund ist die landwirtschaftliche Produktion der Rohstoffe. Auch gibt es Probleme beim Recycling. Sortieranlagen sind bisher nicht auf die Trennung dieser Kunststoffe ausgelegt. Biokunststoffe landen daher meist in der energetischen Verwertung. Laut Umweltbundesamt ist auch die Entsorgung von biologisch abbaubaren Kunststoffen über die Bioabfallsammlung ökologisch nicht sinnvoll und stellt keine hochwertige Verwertung dar. Bioabbaubare Kunststoffe, wie sie derzeit verfügbar sind, können nicht das Problem der „Vermüllung“ lösen. Die entscheidende Maßnahme ist immer noch die Vermeidung des Eintrags in die Umwelt durch Sammlung und Verwertung von Kunststoffabfällen. Fazit: Biobasierte Kunststoffe sind noch längst nicht umweltfreundlicher als herkömmliche Kunststoffe. Ohne die Etablierung einer kreislauffähigen Bioplastikwirtschaft sind Biokunststoffe also bisher noch keine Lösung für den verschwenderischen Umgang mit Kunststoffen.
Biokunststoff ist nicht gleich Biokunststoff
Die Einordnung von Biokunststoffen im „Biopolymer-Kreuz“ des IfBB zeigt: Biokunststoffe unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Rohstoffbasis sowie ihrer Abbaubarkeit.
Biodiversität als Ressource und Wissensquelle
Die Zahl der verschiedenen Tiere, Pilze, Pflanzen und Mikroorganismen, die auf unserem Planeten leben, ist schwer abzuschätzen. Circa 1,9 Millionen Arten wurden bisher wissenschaftlich beschrieben. Doch werden ständig tausende von neuen Arten entdeckt und es wird vermutet, dass 80-90% der Arten bisher nicht registriert sind. Alle diese Arten, ihre genetische Vielfalt sowie die Vielfalt der Ökosysteme werden als Biodiversität zusammengefasst. Doch wie vielfältig Biodiversität wirklich ist, ist kaum dokumentiert. Von den 1,9 Millionen beschriebenen Arten wissen wir meist kaum mehr, als dass sie existieren. Wie sie leben und kommunizieren, was sie fressen, von welchen Bedingungen sie abhängen und wie sie ihr Ökosystem strukturieren und gestalten, dies ist nur von ganz wenigen hundert Arten bekannt.

Wir hängen sehr an wenigen bewährten Mikroorganismen, Pilzen, Pflanzen und Tieren. Grundlagenforschung ist teuer und langwierig und wir wissen eben viel mehr über Schweine und Roggen als über Muntjaks und das Gras Dasypyrum. Jede der Millionen Arten ist jeweils einzigartig hinsichtlich ihrer Eigenschaften, Physiologie, den von ihr produzierten chemischen Bausteine und der entwickelten Verhaltensweise, mit den Herausforderungen ihres Alltags umzugehen. Viele dieser Eigenschaften können für uns Menschen auf dem Weg hin zu einer nachhaltigen, bioökonomischen Gesellschaft in Zukunft essentiell sein.
Ohne Biodiversität keine Bioökonomie
Daher erforscht das Museum für Naturkunde Berlin Biodiversität auch unter dem Aspekt der Bioökonomie. Millionen von Objekten lagern hier und mechanische Strukturen, Oberflächen, Chemikalien und vieles mehr lassen sich in zahlreichen Versionen und Abwandlungen auf kleinstem Raum entdecken. Denn oftmals gibt es – etwa von einer „bionischen Lösung“ – hunderte von kleinen und großen Variationen. Welche davon die beste ist, gilt es erst einmal zu prüfen. Das Museum für Naturkunde Berlin arbeitet derzeit daran, Nutzer*innen die Millionen von Sammlungsobjekten digital zur Verfügung zu stellen.
Das Museum
als Ort der Biodiversitätsforschung
Das lebende Museum
Das Museum für Naturkunde Berlin ist ein Ort der Biodiversitätsforschung.
Ein Blick ins Museum
Der Wandel hin zu einer biobasierten Wirtschaft entwickelt sich weltweit sehr dynamisch. Er wird entscheidend durch wissenschaftlich-technische Innovationen vorangetrieben. Die Innovationsdynamik ist aber auch abhängig von zahlreichen sozialen Prozessen sowie von Wechselwir-kungen zwischen Gesellschaft, Technik, Wirtschaft und Umwelt. Dazu gehören insbesondere die Konkurrenz um knappe Flächen und Ressourcen, Landnutzungskonflikte, der Wandel agrarischer und forstlicher Wirtschaftsweisen und veränderte Lebensstile und Konsumwünsche. In diesem Zusammenspiel verschiedener Faktoren zeichnen sich drei Entwicklungspfade ab: der Effizienz-Pfad, der Konsistenz-Pfad und der Suffizienz-Pfad.
Gucklöcher in die Zukunft
Gucklöcher der Bioökonomie
Drei Entwicklungspfade können für die möglichen Zukünfte der Bioökonomie kombiniert werden.
Der Effizienz-Pfad ist an das vorherrschende Wirtschaftsgeschehen am anschlussfähigsten, trägt aber nur als Basisstrategie. Denn Effizienzsteigerungen allein werden nicht ausreichen, um die schädlichen Nebenfolgen des global steigenden Nahrungsmittel- und Biomassebedarfs zu kom-pensieren – geschweige denn, um Klimaschutz- und Umweltanforderungen gerecht zu werden. Weitreichender sind der Konsistenz- und Suffizienz-Pfad. Sie haben das größte Potential für eine Transformation hin zu einer nachhaltigen Bioökonomie. Für die Entwicklung der Bioökonomie kommt es daher auf eine kluge Kombination aller drei Pfade an, was ein Denken in möglichen, alternativen und verknüpfbaren Zukunftspfaden verlangt. Das bedeutet auch: Bioökonomie geht alle etwas an!
Kombinationen von Zukünften
Weitere bioökonomische Zukünfte könnt ihr in der Spezialreihe ‚Visionen der Bioökonomie‘ (11.-17.09.2020) des Internationalen Literaturfestivals Berlin erfahren – ein Partnerprojekt des Wissenschaftsjahr 2020|21!
Die Frage ist, wie wir eine zukünftige Bioökonomie so gestalten können, dass sie globalen Wohlstand sowie soziale Gerechtigkeit im Rahmen der planetaren Grenzen ermöglicht. Fossile Rohstoffe durch biobasierte Rohstoffe zu ersetzen, kann nur ein Schritt in Richtung einer zukunftsfähigen Wirtschaftsweise sein. Die Entwicklung der Bioökonomie wird erst dann nachhaltig, wenn die begrenzte Verfügbarkeit und Regenerationsfähigkeit von Biomasse berücksichtigt wird. Diese muss unter ökologischen und ethischen Anforderungen produziert und effizient eingesetzt werden.
Entwicklung einer nachhaltigen Bioökonomie
Innovationen und Ausstieg aus sozial-ökologisch schädlichen Praktiken
Eine Innovationspolitik wird nicht genügen, die vorrangig auf neue Techniken, Verfahren und Produkte zur Nutzung biogener Rohstoffe sowie auf Wissen über biologische Prozesse und Systeme für neue Anwendungen ausgerichtet ist. Vielmehr bedarf es neben der Innovation auch der Exnovation, d.h. nicht die Einführung neuer, sondern der Ausstieg aus bestehenden Ideen, Produktionsverfahren, Lebensstilen und kulturellen Praktiken. Sowie zum Beispiel die Kohleverstromung nicht mit dem Klimaschutz vereinbar und der Kohleausstieg folgerichtig ist, so bedarf es auch des Ausstiegs aus umweltschädlichen Praktiken der Agrar-, Forst- und Fischereiwirtschaft bis hin zur Abkehr von nicht nachhaltigen Konsum- und Ernährungsgewohnheiten.
Die SDGs: Kompass für eine nachhaltige Bioökonomie
Den Kompass für die Entwicklung einer nachhaltigen Bioökonomie liefert die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen. Ziel der Agenda ist eine weltweite Transformation – ein umfassender Wandel – hin zu einer nachhaltigen Wirtschafts- und Lebensweise. Eine Bioökonomie, die zugleich menschliche Bedürfnisse befriedigt und die Umwelt bewahrt, ist dabei von zentraler Bedeutung für die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele (engl. SDGs – Sustainable Development Goals).
Das Team hinter [bio'nd]
Die Organisatoren*innen und Durchführenden sind das IZT – Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung, das Museum für Naturkunde Berlin und das Ellery Studio. Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Wissenschaftsjahr 2020/2021 – Bioökonomie erarbeiten wir zusammen diese Veranstaltungsreihe.
Kontakt
IZT
Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung

Dr. Siegfried Behrendt
s.behrendt@izt.de
(Inhalt, Konzeption und Koordination)

Unter Mitarbeit von:
Jakob Zwiers (Projektkoordination)
Ralph Eyrich

Webseite IZT
Museum für Naturkunde Berlin
Bereich „Bioökonomie und Biodiversität“

Dr. Jörg Freyhof
joerg.freyhof@mfn.berlin
(Inhaltliche Beratung)

Unter Mitarbeit von:

Martina Lutz

Webseite Museum für Naturkunde Berlin
Museum für Naturkunde Berlin
Experimentierfeld für Partizipation und Offene Wissenschaft

Dr. Wiebke Rössig
wiebke.roessig@mfn.berlin
(Formatentwicklung und Durchführung von Veranstaltungen)

Unter Mitarbeit von:
Bonnie Dietermann
(Projektkoordination)

Webseite Museum für Naturkunde Berlin – Experimentierfeld
Ellery Studio
Studio für Kreative Strategie

Dodo Vögler

dodo@ellerystudio.com
(Konzeption, Redaktion und Erstellung der Webseite sowie Installation)

Unter Mitarbeit von:

Julia Zimmermann
David Ramirez Fernandez
Sheree Domingo
Gaja Vičič
Eugen Litwinow
Bernd Riedel

Webseite Ellery Studio